Was macht ein Ratsmitglied eigentlich so? Eine Frage, die ich nicht erst einmal gestellt bekommen habe. Zunächst muss man oft erklären, dass Kommunalpolitik ein Ehrenamt ist und kein Job, von dem man leben kann. Ratsmitglieder sind „Feierabendpolitiker“, wenn auch der Feierabend oft sehr ausgedehnt werden muss. Bezahlt wird diese Arbeit übrigens nicht. Es gibt aber eine Aufwandsentschädigung dafür (unter „Transparenz“ habe ich aufgeführt, wie viel Geld ich erhalte). Damit ihr einen Einblick bekommt, was man als Ratsmitglied so macht, habe ich für euch mal eine normale Woche festgehalten, die man vielleicht als durchschnittliche Woche bezeichnen kann. Es gibt natürlich auch Wochen, wo weniger oder mehr los ist.

Am Montag steht der Haupt-, Beschwerde- und Finanzausschuss, nach dem Stadtrat eigentlich das wichtigste Gremium, auf dem Programm. Wegen der schlimmen Ereignisse in Orlando gehe ich heute mit einem Regenbogenanstecker zur Sitzung. Wie so oft bin ich auch hier der jüngste im Raum. Mit mittlerweile 26 passiert das so oft auch nicht mehr, aber in der Politik kann man sich recht lange jung fühlen. Heute hatte ich nicht viele Termine und komme schon mittags aus Köln zurück, sodass ich noch mal die Unterlagen für die Sitzungen in dieser Woche durchlesen kann. Fast jede Woche kann ich mir so einen dicken Stapel Papier aus dem Ratspostfach abholen. Die meiste Vorbereitung benötigt man natürlich für seine eigenen Fachausschüsse, insbesondere für die Ausschüsse, in denen man für die Fraktion spricht. Bei mir sind das der Ausschuss für Soziales, Generationen und Integration sowie der Ausschuss für Kultur, Sport und Städtepartnerschaft. Ich versuche aber auch die Unterlagen der anderen Fachbereiche zumindest überblicksartig durchzulesen, denn Kommunalpolitiker sind grundsätzlich Allrounder, die zu allen Fragen angesprochen werden. Da möchte ich immerhin die Grundzüge kennen, wenn sich auch meine Sachkenntnis z.B. zu Regenrückhaltebecken zugegeben in Grenzen hält.Die Sitzung geht heute ziemlich schnell. Der Bürgermeister ist durchaus für eine zügige Sitzungsleitung bekannt. Themen sind u.a. zwei von der Verwaltung vorgeschlagene Gebührenerhöhungen und unser Antrag zur finanziellen Unterstützung der Jugendfeuerwehr. Darüber soll bei den Haushaltsberatungen weiter diskutiert werden.Im Anschluss geht es noch zum Treffen der Hennefer Jusos, der Jugendorganisation der SPD. Wir planen u.a. das diesjährige Beachvolleyballturnier an der Sportschule und diskutieren das ein oder andere politische Thema. Ende für heute: 22 Uhr.

Der Dienstag beginnt wie jeder Tag mit der Lektüre der Lokalteile der Tageszeitungen als e-Paper, damit man möglichst umfangreich auch über die Themen aus den Nachbarkommunen informiert ist. Überregionale Nachrichten werden sowieso den ganzen Tag auf dem Smartphone verfolgt. Auch Facebook sollte man im Auge behalten, um immer auf dem aktuellsten Stand zu sein. Das ist durchaus zeitaufwendig.Am Nachmittag geht es weiter in Kreisangelegenheiten. Ich vertrete ein Mitglied im Ausschuss für Kultur und Sport des Rhein-Sieg-Kreises. Der Rhein-Sieg-Kreis besteht aus 19 Kommunen, an der Spitze steht der Landrat. Der Kreis hat verschiedene Aufgaben und Zuständigkeiten, wie z.B. Nahverkehrsplanung, die Förderschulen, das Gesundheitsamt, die Kommunalaufsicht usw. Eigentlich bin ich als sachkundiger Bürger der SPD-Kreistagsfraktion für die Themen Planung und Verkehr zuständig. Hin und wieder vertrete ich aber auch Kreistagsabgeordnete, die zu ihren Sitzungen verhindert sind. Heute komme ich wirklich rum, denn die Sitzung findet nicht im Kreishaus, sondern in der Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ in Windeck statt. Ganz schöne Anfahrt also. Vor der Sitzung, die um 16 Uhr beginnt, besichtigt der Ausschuss der Burgruine Windeck, die dem Rhein-Sieg-Kreis gehört und in den nächsten Jahren saniert werden muss. Gerne hätte ich mir das auch angesehen, aber so früh am Tag geht das dann doch nicht. Ein bisschen Zeit muss auch noch für die Hauptbeschäftigung bleiben. Da ich einige Minuten vor der Sitzung schon in Rosbach bin, kann ich mir das Museum, das die Geschichte der Juden an der Sieg nacherzählt, zumindest flüchtig anschauen. Das Haus wurde dem Rhein-Sieg-Kreis für diese Zwecke von einer jüdischen Familie vermacht. Doch auch hier stehen in der nächsten Zeit einige Sanierungsarbeiten an. Diese Zeit soll auch für eine museumspädagogische Überarbeitung der Ausstellung genutzt werden. Nach der Sitzung geht es noch zum Sport und der Tag endet dann bei einem EM-Spiel mit überraschendem Ergebnis.

Den Mittwoch beginne ich mit einem entscheidenden Fehler: Ich lese schon morgens Facebook-Kommentare zu einer Studie, die rechte Einstellungen in der deutschen Bevölkerung untersucht. Ich finde, Facebook war kein menschheitsgeschichtlicher Fortschritt. Viele Leute schreiben einfach, ohne vorher mal kurz zu überlegen. Das ist zumindest mein Eindruck. Und es wird leider leichter, hasserfüllte Meinungen zu verbreiten, die man nur noch schreiben, aber niemandem direkt ins Gesicht sagen muss.Um 17 Uhr geht es wieder ins Rathaus zur Sitzung des Ausschusses für Dorfgestaltung und Denkmalschutz. Auf der Tagesordnung steht unser Antrag, ein Mobilitätskonzept für die Hennefer Dörfer zu erstellen, um den Nahverkehr zu verbessern. Dabei soll es um Ausweitung der Busfahrten z.B. auch abends und am Wochenende oder um die Einführung von Kleinbuslinien für die nicht angebundenen Dörfer gehen. Der öffentliche Personennahverkehr ist eines meiner Hauptanliegen, da es gerade für die Dörfer entscheidend ist, dass man dort auch ohne Auto leben und mobil sein kann. Vor der Sitzung finde ich sogar noch die Zeit, meinen Wortbeitrag zur Begründung des Antrages etwas vorzubereiten. Ich mache mir gerne zu wichtigen Punkten vorher einige Notizen. Das soll verhindern, dass ich ewig und unstrukturiert irgendwelche Sachen erzähle. Die Notizen helfen heute aber leider nicht. Wie schon die Stadtverwaltung sieht auch die Ratsmehrheit keine Notwendigkeit, etwas zu tun. Die CDU erklärt, dass das Nahverkehrsangebot in ganz Hennef hervorragend sei und man sich ja schon 2008 mit dem Thema beschäftigt habe. 2008 bin ich übrigens noch zur Schule gegangen. Nur mal so. Wenn sich die Mehrheit bei dem Thema verweigert, werden wir als SPD nun aktiv werden und selbst konkrete Projekte entwickeln und fordern. Wie mein Fraktionskollege Axel Precker sagte: Es kann doch nicht unser Ziel sein, nur einen „Mindeststandard“ zu sichern. Aus dem Rathaus geht es direkt weiter nach Troisdorf, wo sich der SPD-Kreisvorstand trifft. Auf der Tagesordnung stehen die Vorbereitungen für die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen. Wie immer gibt auch unser Bundestagsabgeordneter Sebastian Hartmann einen kurzen politischen Bericht zu wichtigen aktuellen Themen. Nach der Sitzung schaffe ich es tatsächlich noch kurz zum Sport.

Der Donnerstag wäre eigentlich ein politikfreier Tag gewesen. Doch kurzfristig muss ich für eine Kreistagskollegin einspringen, die von ihrem Arbeitgeber für die Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses nicht freigestellt wurde. Die Sitzungen der Kreisausschüsse beginnen grundsätzlich um 16 Uhr. Für viele Berufstätige sind das Zeiten, an denen sie unmöglich schon können. Da darf man sich nicht wundern, wenn nur bestimmte Berufsgruppen in politischen Gremien vertreten sind. Das Problem ist hausgemacht. Von den Themen im Ausschuss habe ich ehrlicherweise kaum Ahnung. Allerdings stehen die beiden größten Projekte des Rhein-Sieg-Kreises auf der Tagesordnung: Die Sanierung des Kreishauses und die umfassende Sanierung des Berufskollege in Hennef. Diese Woche habe ich wirklich Glück. Alle Sitzungen dauern höchstens eine Stunde. Das ist ungewöhnlich (man sitzt auch schon mal bis 20 Uhr im Ausschuss) und ermöglicht, dass ich danach noch ins Fitnessstudio gehen kann. Am Abend erledige ich noch einige Dinge, wie so oft abends. Nach der Überschwemmung in Dahlhausen mache ich noch eine Anfrage für die Ratssitzung fertig, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um solche Überschwemmungen nach Starkregen künftig zu vermeiden. Viel Schreibkram und Kommunikation fällt die ganze Woche über an. Mails beantworte und schreibe ich zwischendurch, oft in der Bahn. Das gleiche gilt für die Betreuung mehrere Facebookseiten und Homepages. Auch Mails von Bürgern mit Anliegen sind immer wieder im Postfach. Wenn ich Ahnung von dem Thema habe, geht die Beantwortung zügig, andernfalls kommt noch die Zeit für Recherche oben drauf. Und immer wieder stehen verschiedene Arbeiten an, vom Schreiben von Anträgen oder Pressemitteilungen bis hin zum Gestalten von Plakaten und Flyern. Kommunalpolitik ist eben noch handgemacht.

Nach vier Sitzungen in dieser Woche, was nicht die Regel, aber auch nicht außergewöhnlich ist, steht am Freitag mal kein politischer Termin im Kalender.

Am Samstag aber heißt es leider wieder mal früh aufstehen und mit der Bahn nach Oberhausen. Da trifft sich der Landesparteirat der NRW-SPD, ein kleiner Parteitag. Zusammen mit dem stellvertretenden SPD-Kreisvorsitzenden Folke große Deters fahre ich also mal wieder durchs halbe Land. So richtig wichtig ist der Termin heute nicht. Das merkt man leicht daran, dass die Ministerpräsidentin nicht anwesend ist. Nach dem Parteirat verpassen wir die Bahn und gehen mit der Bonner Delegation noch etwas essen. Das Essen ist eher schlecht, die Gespräche dafür kurzweilig. Danach ist Schluss mit Terminen für heute. Alles geht eben auch nicht. Die Wochenenden sind meistens sehr voll. Infostände, Feste und Veranstaltungen. Natürlich Termine im eigenen Wahlkreis. Das ist nicht wirklich „Arbeit“, aber Zeit muss dafür auch investiert werden.

Auch am Sonntag muss ich wieder früh aufstehen. In Neunkirchen-Seelscheid findet der Seelscheider Sommer statt und die SPD-Landtagsfraktion ist mit einem großen Aktionsstand vor Ort, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Das ist dann so eine Art Mischung aus ehrenamtlichen und dienstlichen Termin für mich, da ich als studentische Hilfskraft für die Landtagsabgeordneten Dirk Schlömer und Achim Tüttenberg arbeite. Auch das „mobile Bürgerbüro“ ist wieder dabei; ein kleiner Wohnwagen, den Dirk Schlömer zu einem mobilen Büro umfunktioniert hat und mit ihm durch den Rhein-Sieg-Kreis fährt. In großen Wahlkreisen muss man sich eben etwas einfallen lassen, um für die Leute leicht ansprechbar zu sein. Von 11 bis 18 Uhr stehe ich am Stand, lasse am Glücksrad drehen, verteile Info-Material oder beantworte Fragen. Die meisten Menschen sind wie immer sehr freundlich. Man merkt aber auch, dass der Ton rauer wird. Mein Kollege wird heute als „Arschloch“ bezeichnet, weil er rassistische Ausfälle eines Mannes als viel zu pauschal zurückweist. Wir schicken den Mann weg, weil Diskussionen auf diesem Niveau einfach keinen Sinn haben. Er pöbelt noch etwas im Weggehen. Man kennt das leider, als Blitzableiter für aufgebauten Frust bis zu abwegigen Verschwörungstheorien gebraucht zu werden. Das gehört dazu.

So, das war meine Woche. Wohlgemerkt nur der politische Teil, der ehrenamtlich „nebenbei“ läuft. Warum ich das alles mache? Gute Frage. Dafür brauche ich aber einen eigenen Blog-Artikel.

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